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Die Borderline- störung

Selbsttest, Symptome, Diagnostik und Behandlung

Was ist eine Borderline-Persönlichkeitsstörung?


Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung handelt es sich um eine chronische psychische Erkrankung, die durch Störungen der Emotionsregulation, Identitätsstörungen und Problemen im zwischenmenschlichen Bereich gekennzeichnet ist.

Die Lebenszeitprävalenz beträgt ca. 5%. Das heißt, etwa 5 von 100 Personen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Borderline-Störung. Das Geschlechterverhältnis ist nahezu ausgeglichen, wobei deutlich mehr Frauen als Männer auch psychologische oder psychotherapeutische Hilfe aufsuchen. Männliche Borderline-Betroffene geraten stattdessen häufiger mit dem Gesetz in Konflikt.

Verlauf

Die Symptomatik beginnt meist im frühen Jugendendalter, erreicht sein Maximum mit ca. 23-27 Jahren und flacht dann langsam ab. Die häufige Annahme, dass eine Borderline-Störung das ganze Leben bestehen bleibt, lässt sich nicht durch Studien untermauern.

So konnten Untersuchungen zeigen, dass etwa 50% aller Betroffenen nach einem Zeitraum von ca. 8-10 Jahren nicht mehr die Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erfüllten. Eine störungsspezifische psychologische oder psychotherapeutische Behandlung zeigte dabei eine hohe Wirksamkeit, sodass sich die Symptomatik noch schneller verbessert.

Komorbidität

Ein Großteil aller Borderline-Betroffenen leidet an mindestens einer weiteren psychischen Erkrankung. Dazu zählen ausgeprägte Schlafstörungen, depressive Störungen, Angststörungen, die Posttraumatische Belastungsstörung, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, ADHS, Essstörungen oder eine weitere Persönlichkeitsstörung (z.B. ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung).

Störungsmodell

Für die Entstehung der Borderline-Störung lässt sich das Biopsychosoziale Modell heranziehen. Damit ist gemeint, dass biologische, psychische und soziale Faktoren kombiniert eine Borderline-Störung hervorrufen können. So weisen viele Borderline-Betroffene bereits im Kindesalter eine wahrscheinlich genetisch bedingte, erhöhte emotionale Sensitivität auf. Sie reagieren in bestimmten Situationen mit stärkeren Emotionen als andere. Diese Emotionen werden dann vom sozialen Umfeld (z.B. primäre Bezugspersonen, Geschwister, Freunde) nicht ausreichend verstanden oder bestätigt (Modell der traumatisch erlebten Invalidierung).

So kann es zum Beispiel vorkommen, dass Eltern die starken Emotionen eines Kindes runterspielen, als nicht passend bezeichnen oder sogar bestrafen. Das Kind hat jedoch ein starkes Bedürfnis nach Verständnis von anderen und wenn dies nicht erfüllt wird, kann es zu einem innerem Konflikt zwischen der eigenen Wahrnehmung und der sozial erlebten Realität kommen. Da die Emotionen für das Kind nicht real und richtig zu sein scheinen, erlernt das Kind auch keine adäquaten Strategien, um mit diesen intensiven Emotionen umzugehen und diese zu regulieren. So reagiert das Kind zum Beispiel schon relativ früh mit Wut und Aggression, obwohl es eigentlich primär Angst oder Traurigkeit verspürt.

Im weiteren Verlauf können sich dann noch weitere problematische Verhaltensmuster entwickeln, um mit den Emotionen klar zu kommen, wie Selbstverletzung oder Alkohol- und Drogenkonsum.

Die Invalidierung der Gefühle kann zusätzlich ein Selbstkonzept entstehen lassen, das die tief sitzende Vorstellung enthält, anders zu sein als andere, nicht dazuzugehören oder sich weder auf sich selbst, noch auf andere verlassen zu können. Eine hohe Empfindlichkeit gegenüber realer und erwarteter Zurückweisung, mangelndes Vertrauen in sich selbst und in andere, Selbsthass oder Schamgefühle und das intensive Bedürfnis nach sozialem Kontakt, nach Nähe und nach Anerkennung können die Folge sein.

Weitere Risikofaktoren für das Entstehen einer Borderline-Störung sind körperliche und sexuelle Gewalt im Kindes- oder frühen Erwachsenenalter und emotionale Vernachlässigung durch die primären Bezugspersonen.

Wie wird die Borderline-Störung diagnostiziert?


Nach den international geltenden Diagnosekriterien des DSM-5 und der ICD-10 (siehe: F60.31 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ) erfolgt die Diagnosestellung vorweg auf einer allgemeinen und danach auf einer spezifischen Ebene. Auf der allgemeinen Ebene müssen folgende Kriterien für das Zutreffen einer Persönlichkeitsstörung erfüllt sein:

  1. Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Dieses Muster manifestiert sich in mindestens zwei der folgenden Bereiche:
    • die Art und Weise, sich selbst, andere Menschen und Erlebnisse wahrzunehmen und zu interpretieren
    • die Intensität, Labilität und Angemessenheit emotionaler Reaktionen
    • das Erleben zwischenmenschlicher Beziehungen
    • der Umgang mit als unangenehm erlebten Anspannungszuständen (Impulskontrolle)
    • tiefgreifende Auswirkungen auf eine Vielzahl persönlicher und sozialer Situationen
  2. Das Muster führt zu Beeinträchtigung und Leidensdruck
  3. Das Muster ist stabil und langandauernd
  4. Das Muster beginnt in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter
  5. Das Muster lässt sich nicht besser durch eine andere psychische Erkrankung erklären

Wenn all diese Kriterien erfüllt sind, kann der Subtypus der Persönlichkeitsstörung abgeklärt werden. Beim Borderline-Typus zeigt sich dabei ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie eine ausgeprägte Impulsivität. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Ausgeprägte Angst vor dem Verlassenwerden oder ein verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden
  2. Instabile und intensive zwischenmenschliche Beziehungen, wo ein ständiger Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und der Entwertung der anderen Person stattfindet
  3. Identitätsstörungen (ausgeprägte Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung)
  4. Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (z.B. risikoreiches sexuelles Verhalten, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Autofahren, Essanfälle)
  5. Selbstverletzungen, Durchführung oder Androhung suizidaler Handlungen
  6. Affektive Instabilität und extreme Stimmungsschwankungen (z.B. massive Traurigkeit, Angst oder Reizbarkeit mit einer Dauer von meist wenigen Stunden)
  7. Chronische Gefühle innerer Leere
  8. Heftige Wutausbrüche und Schwierigkeiten diese zu kontrollieren
  9. Vorübergehende paranoide Vorstellungen (meist ausgelöst durch starke Belastungen) oder schwere dissoziative Symptome (z.B. Gefühl des Losgelöstseins vom Selbst und/oder der Umgebung)

Ausblick

Sowohl in einer aktualisierten Version des DSM-V als auch in der seit 2022 gültigen Version des ICD-11 werden Persönlichkeitsstörungen grundlegend neu definiert. Die allgemeinen Kriterien einer Persönlichkeitsstörung betreffen dabei Probleme in der Funktionsweise des Selbst und/oder zwischenmenschliche Störungen, die über einen längeren Zeitraum von mindestens zwei Jahren bestehen müssen.

Die Störungen äußern sich dabei in maladaptiven und unflexiblen Mustern der Kognition, des emotionalen Erlebens, des emotionalen Ausdrucks und des Verhaltens. Sofern die allgemeinen Kriterien als erfüllt betrachtet werden, kann der Schweregrad der Persönlichkeitsstörung eingeschätzt werden. Dieser reicht von leichtgradig, über mittelgradig, bis schwergradig und beschreibt das Ausmaß des Leidensdrucks sowie der Beeinträchtigung in persönlichen, sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Zusätzlich können ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale und -Muster diagnostiziert werden:

  • Negative Affektivität
  • Distanziertheit
  • Dissozialität
  • Enthemmung
  • Anankasmus
  • Borderline-Muster

Von den ursprünglichen Kategorien der Persönlichkeitsstörungen im ICD-10 (z.B. narzisstisch, paranoid) ist lediglich das Borderline-Muster übrig geblieben, wobei auch die Symptomatik sehr ähnlich definiert wurde. Der Hauptgrund dafür besteht wahrscheinlich darin, weil die Ursachen und Mechanismen der Borderline-Störung relativ gut untersucht sind und es evidenzbasierte Therapieansätze dafür gibt. Bis die Diagnostik nach ICD-11 auch in der Praxis zum Standard wird, kann es noch einige Jahre dauern. Erstens liegt dazu in Deutsch aktuell nur eine Entwurfsfassung vor und andererseits gibt es eine Übergangsfrist von mehreren Jahren.

Selbsttest Borderline-Persönlichkeitsstörung

Der folgende Test dient lediglich Ihrer eigenen Einschätzung der Symptomatik. Auf eine Interpretation der Ergebnisse wurde bewusst verzichtet, da dies ausschließlich in Absprache mit einer dafür ausgebildeten Person erfolgen soll.

Welche der folgenden Aussagen treffen auf Sie zu?

Wie wird die Borderline-Störung behandelt?


In meiner Praxis wird vor jeder Behandlung eine ausführliche Diagnostik durchgeführt. Dafür werden die entsprechenden Kriterien des DSM-V bzw. der ICD-10/11 genau abgeklärt und entschieden, ob das Ausmaß der Symptomatik die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Muster (bzw. einer Emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ) rechtfertigt.

Außerdem wird abgeklärt, ob die Symptomatik besser durch eine andere psychische Erkrankung erklärt werden kann oder ob es zusätzliche Diagnosen wie eine Angststörung oder eine Posttraumatische Belastungsstörung gibt.

Zum Einsatz kommen dabei (halb-)strukturierte Interviews (z.B. das Diagnostische Interview bei Psychischen Störungen – DIPS, das Strukturierte Klinische Interview für DSM-5 Persönlichkeitsstörungen – SCID-5-PD oder der Borderline Personality Disorder Severity Index – BPDSI) sowie psychologische Tests (z.B. die Borderline-Symptom-Liste – BSL oder das Inventar Klinischer Persönlichkeitsakzentuierungen – IKP).

Nach der Diagnosestellung folgt die Psychoedukation. Dabei wird über die Symptomatik der Erkrankung sowie über die biologischen, psychischen und sozialen Ursachen und die aufrechterhaltenden Bedingungen der Erkrankung aufgeklärt.

Besser verstehen zu können, woher die unangenehme Symptomatik kommt, verschafft vielen schon eine gewisse Erleichterung.

Einen besonderen Stellenwert in der Behandlung der Borderline-Störung nimmt die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) ein. Wichtig ist dabei eine Balance zwischen Akzeptanz und Veränderung herzustellen. Gemeint ist damit, dass bestimmte Situationen und Zustände zuerst einmal so akzeptiert werden, wie sie sind, damit man sich davon distanzieren und sie aktiv gestalten kann. Häufig versuchen Betroffene zum Beispiel gegen unangenehme Gefühle anzukämpfen, um sie loszuwerden.

Dies bewirkt aber meist das Gegenteil und die Gefühle werden sogar noch stärker. Eine alternative Strategie wäre es, die Emotionen zu akzeptieren (z.B. "Es ist OK, dass ich gerade traurig bin.") und sich davon zu distanzieren (z.B. "Ich bin nicht mein Gefühl, ich habe ein Gefühl.") und sich danach zu fragen, was man tun kann, um mit diesem Gefühl adäquat umzugehen. Dies wird dann in der Therapie besprochen, geübt und in den Alltag übertragen.

Einen weiteren Schwerpunkt nimmt das sogenannte Skills- oder Fertigkeitentraining ein. Mit Skills sind Fertigkeiten gemeint, die den Betroffenen dabei helfen können, mit der Borderline-Symptomatik besser klar zu kommen. Eines dieser Skills ist Achtsamkeit. Mit Hilfe von Achtsamkeit wird gelernt, sein Verhalten, seine Gedanken und seine Emotionen ohne Wertung wahrzunehmen, damit diese dann auch leichter akzeptiert werden können.

Weitere Skills beziehen sich auf die Stresstoleranz. Abhängig vom Anspannungsniveau werden Fertigkeiten gelernt, die dabei helfen, die Anspannung zu regulieren und abzuschwächen. Bei einem Anspannungsniveau von ca. 40% könnten zum Beispiel Atemübungen oder Achtsamkeitsübungen helfen, um die Anspannung zu reduzieren. Bei einem Anspannungsniveau das über 70% liegt und bereits mit einem gewissen Kontrollverlust einhergeht sind hingegen radikalere Fertigkeiten erforderlich. Hier eignet sich zum Beispiel eiskaltes Duschen, auf einer Chilischote kauen oder auf einen Boxsack einschlagen. All dies soll helfen, um diese Hochspannung abzuwenden, damit man wieder mehr Kontrolle über sein Verhalten und sein Denken zurückerlangt.

Ein adäquater Umgang mit emotional belastenden Emotionen wird ebenfalls gelernt. Hier kommen dann Prinzipien der Emotionsfokussierten Therapie zum Tragen. Es wird besprochen, welche Emotionen überhaupt vorkommen, wo diese Emotionen im Körper spürbar sind, welche dieser Emotionen angemessen sind und welche zu stark, übertrieben oder unangemessen sind. Wichtig kann auch sein, zu verstehen, wo diese Emotionen herkommen und was uns die Emotionen sagen wollen (zugrundeliegende Bedürfnisse). So erhalten die Betroffenen allgemein einen besseren Zugang zu ihren Emotionen und können ihre Verhaltensweisen und Entscheidungen besser danach ausrichten.

Borderline-Betroffene zeigen auch häufig dysfunktionale Denkmuster (z.B. "Ich bin nichts wert" oder "Man kann anderen nicht trauen"). Diese Denkmuster gilt es zu identifizieren, in Frage zu stellen und wenn notwendig, durch neue, hilfreiche und realistische Gedanken zu ersetzen. Dadurch soll sich auch der Selbstwert verbessern und das Selbstbild stabilisieren.

Weitere Themen betreffen den Umgang mit Suizidalität, das Erlernen zwischenmenschlicher Fertigkeiten oder die Behandlung etwaiger zusätzlicher psychischer Störungen. Eine Behandlung der Borderline-Störung mit Medikamenten wird von meiner Seite meist nicht empfohlen, da es kein Medikament gibt, dass primär zur Behandlung der Borderline-Störung entwickelt wurde. Eine medikamentöse Therapie kann nur Sinn machen, wenn es zusätzliche Störungen gibt, die es zu behandeln gilt (z.B. ADHS).

Literatur: Bohus, M. (2019). Borderline-Störung. Hogrefe.

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Mag. Dr. Hannes Mayerl Psychologe Graz Angst Panik Phobie

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Soziale Angststörung Bei der Sozialen Angststörung handelt es sich um eine weit verbreitete Angsterkrankung, die in Europa eine Lebenszeitprävalenz von ca. 7% aufweist.